Die Bedeutung der Seife

 

"Die Seife kann für die Cultur und den Wohlstand eines Staates als Maßstab betrachtet werden. Bei Vergleichung zweier Staaten mit gleicher Einwohnerzahl, kann man den für den reicheren und cultivierteren annehmen, welcher die meiste Seife verbraucht, denn der Verbrauch derselben hängt nicht von der Mode, nicht vom Gaumenkitzel, sondern von dem Gefühle für das Schöne, für das Wohlsein und Behaglichkeit ab, welche aus der Reinlichkeit hervorgeht. Wohlstand und Cultur wird da sein, wo dieser Reinlichkeitssinn neben den Bedürfnissen anderer Sinne berücksichtigt und gepflegt wird."

 

Dies schrieb Justus Liebig in seinen Chemischen Briefen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, als Seife die einzige verbreitete Waschsubstanz zur Körperpflege, zum Waschen und zum Putzen war. Kaum 150 Jahre später muss festgestellt werden: Wohlstand und Kultur sind durch den Umgang mit Wasch- und Reinigungsmitteln aufs Höchste gefährdet, die Gewässer sind verseucht und der Vorrat an trinkbarem Wasser begrenzt.

 

Die Wende in dieser Entwicklung begann Anfang der 50ger Jahre. In der Zeit des zweiten Weltkriegs waren in Deutschland, aufgrund der Rohstoffknappheit, aus Erdöl und Kohle synthetische Tenside entwickelt worden, mit ausreichenden Wascheigenschaften. Diese verdrängten nach dem Krieg vehement die Seife, so dass bis 1959 bereits 65% des gesamten Bedarfs der westlichen Welt an Wasch- und Reinigungsmitteln durch synthetische Tenside abgedeckt waren. Gleichzeitig damit zog die Waschmaschine in alle Haushalte ein. Die Herstellung der Tenside war billig und das Bedürfnis der Verbraucher konnte zu immer höherem Konsum dieser Mittel angereizt werden: für jedes Reinigungsproblem ein anderes Produkt mit ähnlichen Inhaltsstoffen.  So stieg der Verbrauch von synthetischen Wasch- und Reinigungsmitteln in Deutschland von 6,1 kg/Einwohner im Jahre 1960, auf 21,5 kg 1976 und bis 1990 gar auf 30 kg; in Frankreich von 6,7 kg 1960, auf 16,6 kg im Jahre 1976. Der Verbrauch von Seife blieb von 1960 bis heute fast konstant.


Anfang der 60ger Jahre erst trat die Frage nach dem Verhalten der synthetischen Tenside in den Gewässern in das allgemeine Bewusstsein, nachdem Berge von Schaum auf den Flüssen trieben, Menschen in diesen Schaumbergen erstickt waren und im Trinkwasser nichtabbaubare Tenside nachweisbar vorhanden waren. Die Einführung und Anwendung von synthetischen Waschmitteln, und im Zuge dessen der Einsatz von Waschmaschinen, hatte einerseits in größtem Ausmaß die Haushaltsarbeit erleichtert, entfremdete jedoch zugleich den einzelnen Menschen völlig von den Vorgängen und den tatsächlichen Notwendigkeiten des Waschens und Reinigens und deren Folgen für die Umwelt und die Menschen.


Ein Blick auf die enorme Breite der heutigen industriellen Anwendung von verschiedenartigsten Tensiden, lässt etwas von deren Bedeutung und Wirkensweise sichtbar werden. Das historisch älteste Anwendungsgebiet von Tensiden ist die Textilindustrie. In fast allen Arbeitsgängen der Textilfertigung und Textilfärbung werden Tenside eingesetzt um die Gleitfähigkeit und Griffigkeit der Fasern zu erhöhen und die Aufnahme der Farbe für die eingesetzten Chemikalien zu gewährleisten oder um Gewebe wasserabweisend auszurüsten, durch Tensidüberzug.


Der moderne chemische „Pflanzenschutz“ wäre ohne Tenside nicht denkbar, da die meisten Wirkstoffe im Wasser schwer löslich sind und erst mit Hilfe von Tensiden im Wasser feinst verteilt werden und durch die Blattoberfläche in den Pflanzenorganismus eingeschleust werden können. Diese Wirkensweise macht sich auch die pharmazeutische Industrie zunutze und baut in Medikamente, die z.B. über den Darm resorbiert werden sollen, Tenside ein, die die Durchlässigkeit der Darmschleimhäute für den Wirkstoff erhöhen, um so schneller die gewünschte Wirkung zu erzielen. Als Weichhaltemittel für Brot, bei der Herstellung von Margarine, als Antispritzmittel in Backfetten oder als Zusatz um das Überschäumen von Kochkesseln zu verhindern, werden in der Lebensmittelindustrie Tenside, unter dem Begriff Emulgatoren, eingesetzt. So kann z.B. aus Schwarte, Fett, Wasser, etwas Fleisch und einem Emulgator, der die Bindefähigkeit des Muskeleiweißes ersetzt, preisgünstig Wurst hergestellt werden.


Viele weitere Industriezweige benutzen Tenside. So als Bohr- und Schneidemittel in der Metallverarbeitung, in der Galvanotechnik, als Dispergiermittel von Farbpigmenten in Lacken, in der Bitumenverarbeitung beim Straßenbau, in der Zementindustrie, Fotoindustrie, Kosmetikindustrie, bei der Herstellung von Kunststoffen und vielem anderem mehr. Ihr breites Einsatzgebiet liegt vor allem in ihrer Fähigkeit begründet, polare Stoffqualitäten, wie z.B. Wässriges und Öliges, zusammenzubringen, an Grenzflächen sich anzureichern und dort die Eigenschaften der Oberfläche zu verändern. Sei es, dass sie mit einem anderen Stoff verbunden, durch die Grenzfläche dringen, sei es, dass sie auf die Fläche aufziehen, sich dort anlagern, und diese in ihren Eigenschaften und ihrer selektiven Durchlässigkeit verändern.


Bei den Wasch- und Reinigungsmitteln sind diese Eigenschaften der Tenside ebenfalls von großer Bedeutung. Da der meist ölige Schmutz und Staub eine starke Verbindung mit dem Gewebe eingeht, kann Wasser allein den anhaftenden Schmutz nicht ablösen. Hier kommt der waschaktive Stoff zu Hilfe und drängt sich zwischen Gewebe und Schmutz. Jetzt erst kann das Wasser diesen vollends ablösen und wegspülen.


Bis zur Wende in den 50ger Jahren war Seife die waschaktive Substanz schlechthin, und Soda wurde verwendet um das Wasser zu entkalken und damit aufnahmebereiter für die Seife zu machen, als auch um die Waschkraft der Seifenlauge zu verstärken. Gebleicht wurde die Wäsche dann in der Sonne. Die Wäscherei war mit Anstrengung verbunden, die Wäsche jedoch war weich, sauber und gut gepflegt. Mit den neuen Tensidwaschmitteln trat das Phänomen auf, dass die Gewebe spröde und kratzig wurden, - eine Nebenwirkung, die durch die Anwendung eines weiteren Tensids versucht wurde aufzuheben, was dann, dem letzten Spülwasser zugegeben, das ganze Kleidungsstück mit einem Film überzog und so den Schein angenehm weicher Wäsche hervorzauberte - der Weichspüler. Die Folge war, dass die Feuchtigkeitsaufnahme der Wäsche um ca. 1/3 zurückging und Hautallergien sich zusehends verstärkten, ganz abgesehen von der schlechten biologischen Abbaubarkeit.


Ohne Zweifel hat sich seit der Krise in den Jahren 1959/60 bis heute viel in der Zusammensetzung der Wasch- und Reinigungsmittel verändert. Durch Gesetze wurde schrittweise eine mindestens 80%ige Primärabbaubarkeit (d.h. vor allem der Verlust der oberflächenaktiven Eigenschaften des Tensids) vorgeschrieben, und die Phosphatzusatzmenge, die zu dem hohen Algenbewuchs der Gewässer beigetragen hatte, begrenzt. In der Waschmittelindustrie gingen die Forschungen vor allem in die Richtung, leichter abbaubare und besser verträgliche Tenside zu entwickeln, und im Zuge der vor einigen Jahren aufgekommenen Bio-Welle, manche dieser Tenside jetzt sogar aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen. Seit über 30 Jahren also unermüdlicher Forschungseinsatz um die einmal in die Welt gesetzten neuen Mensch- und Umweltschädlichen Tensidstoffe in ihren Nebenwirkungen zu begrenzen.


Eine ganz andere Forschungsrichtung, die ebenfalls ihren Beginn Anfang der 60ger Jahre hatte, ging von der Seife aus, als dem Urbild der Waschsubstanzen. Aus dem Zusammenführen von Polaritäten, von Erdig-Wässrigem (Lauge) mit Wärmehaftem (Fette, Öle), bildet sich im Siedeprozess die Seife, – eine Mitte-Substanz, mit der Eigenschaft sich gleichzeitig mit Fett und Wasser verbinden zu können. Ziel dieser Forschungsrichtung war es, eine zeitgemäße, leicht handhabbare Anwendungsform zu finden, wie Seife als Waschmittelgrundsubstanz eingesetzt werden kann. 

 

Aus dieser Fragestellung wurde das Waschen im Baukastensystem entwickelt –
die Gliederung des Waschmittels in seine Hauptbestandteile:

  • Grundwaschmittel
  • Enthärter
  • Bleichmittel

 

Dem Waschenden werden diese drei Bausteine als einzelne Komponenten in die Hand gegeben um diese selbst zu dosieren:

  • den Enthärter, in Abhängigkeit von der  örtlichen Wasserhärte,
  • das Waschmittel, gemäß  dem Grad der Verschmutzung,
  • das Bleichmittel, zum gelegentlichen Einsatz, entsprechend dem individuellen Bedürfnis nach weißer Wäsche. 

 

Hierdurch wird gewährleistet, dass nur soviel Waschmittel benutzt wird als jeweils notwendig ist, und dass Seife auch bei Wasser über 7 dH / 12 H verwendet werden kann durch die entsprechende Zugabe von Enthärter, der den Kalk im Wasser an sich bindet.


Die Anziehung der Seife zum Kalk führt zur Bildung von Kalkseife, die die Waschkraft der Seife mindert und sich als unerwünschte Rückstände in der Wäsche und der Waschmaschine absetzt. Deshalb ist die exakte Kenntnis des Härtegrades des Wassers und die genaue Dosierung des Enthärters von großer Bedeutung. Auf der anderen Seite ist es gerade diese Eigenschaft der Seife, Kalkseife zu bilden, die bewirkt, dass Seife so schnell wie kein anderes Tensid im Abwasser seine Oberflächen-entspannende, Lebenangreifende Wirkung verliert (Primärabbau). Sobald die Seife nämlich die Waschmaschine verlässt, verbindet sie sich sehr rasch mit dem stets im Abwasser vorhandenen Kalk und fällt als Kalkseife aus. Diese Kalkseife wird zum größten Teil in der mechanischen Filterstufe der Kläranlage ausgeschieden und gelangt mit dem Klärschlamm in den Faulturm, wo sie, ohne Energiezufuhr von außen, abgebaut wird zu Biogas, das als Heizgas Verwendung findet (anaerober Sekundärabbau).


Über die gewaschenen Kleidungsstücke, in denen immer Reste von Waschmitteln zurückbleiben, kommt die Haut in Berührung mit den Waschsubstanzen. Diese ziehen auf die Haut auf, durchdringen sie und machen durchlässig für andere Stoffe. Allergien können als Folgeerscheinungen auftreten.


Seife aus reinen Pflanzenölen ist die dem Menschen am nächsten liegende und da- durch am besten verträgliche Waschsubstanz, die sich auf der Haut rasch neutralisiert und durch ihre natürlichen Fettsäuren rückfettend wirkt.


So verbindet sich beim Waschen mit Seife im Baukastensystem das Bedürfnis nach sauberer, gepflegter Kleidung und Umgebung mit der eigenen Verantwortung für die Natur, – wodurch Reinheit als Kulturwert in neuer Weise entstehen kann.

 

 

Sonett 2011

 

 

 

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